23. Oktober 2013

Stadtpfadfinder - Teil 1

Zur Förderung der Kampfradler-Mentalität trägt bei, dass viele Situationen für Radfahrer ungeklärt bleiben. Wir müssen schnell den besten Weg finden und können beim besten Willen oft gar nicht legal fahren. 

Beispielsweise hier am Ausgang der Fahrradstraße Richtung Charlottenplatz. Der Radweg (Hauptroute 1) geht dort links, wo das Auto einbiegt. Für mich als Radler gibt es keine Spur, die mich dorthin führt, wenn ich auf der rechten Straßenseite vorfahre. Über die durchgezogene Linie dürfte ich nicht, und die Abbiegung über die Verkehrsinsel für Fußgänger würde von mir verlangen, dass ich eine abrupte mehr als 90-Grad-Kurve fahre.
Die hier noch sichtbare Radspur ist übrigens
inzwischen (2014) verschwunden. Das macht die Situation
nicht klarer.
Also muss ich mich etwa auf Höhe des blauen Radzeichens auf die linke Fahrbahnseite schlingern.

Hier noch mal der Blick von der Stelle aus, die ich eigentlich nehmen müsste. Wobei der Radstreifen, der hier aus dem Radweg heraus geradeaus zur gegenüber liegenden Straßenseite zu führen schient, ins Leere geht, an der Verkehrsinsel endet. Denn in der Fortführung ist der Gehweg nicht für Radler freigegeben. Was sie nicht hindert, genau dort weiterzufahren, vermutlich, weil sie das Fußgängerschild gar nicht sehen. Führt doch der Radwegschnipsel direkt dort hinüber. (Siehe Foto unten)


Die ungeklärte Radführung an dieser Stelle mag auch der Grund sein, warum die Schilder mit dem T (Tallängsweg/ Hauptroute 1) auch immer noch über die Marktstraße und den Karlsplatz weisen. Man wird hier die Radführung ändern müssen, bevor der Weg offizielle ausgeschildert wird.

Und was ist mit Busspuren? In der Regel wird es ausdrücklich angezeigt, wenn eine Bussspur von Radlern befahren werden darf. Hier, auf der Filderstraße zur Kreuzung Immenhoferstraße, wird es dem Radler überlassen, die Situation für sich zu klären. Auf der Autospur oder auf der Busspur? Wer die Strecke kennt, weiß, dass die Busspur plötzlich zu einem Radweg mit eigener Radlerampel ganz vorn an der Haltelinie wird.
Ähnlich kurios verhält es sich an der Silberburgstraße im Übergang zur Mörike Straße (Richtung Marienplatz). Der Streifen, den wir hier sehen, ist kein Radweg, sondern der Beginn des Busstreifens zur Haltestelle. Theoretisch verboten für mir als Radler. Aber ich wäre ja bescheuert, wenn ich vor den Autos her radeln würde. Der Radweg beginnt dann hinter der Bushaltestelle und ich kann aufatmen: wieder legal.

Alles keine großen Sachen. Man fährt halt. Aber Radler begegnen ständig Situationen, in denen sie (vor allem, wenn sie zum ersten Mal den Weg fahren) schnell einschätzen müssen, was für sie gedacht ist, was gemeint sein könnte und was für sie praktikabel ist.


Und anders herum: Nur scheinbar klar ist die Situation hier an der Theodor-Heuss-Straße Richtung Bahnhof.

Der Radweg endet gebieterisch am Fußgängerbereich und schickt die Radfahrer ins Gewusel der Fußgänger zur Bolzstraße und Lautenschlagerstraße. Allerdings ist die Fußgängerzone nur freigegeben für Radler und somit kein Radweg. Dennoch tut der Radweg mit seiner dicken durchgezogenen Linie so, als dürfe der Radler nicht auf der Fahrbahn weiterfahren. Er darf es aber und sollte es auch tun. Allerdings, wie geht hier der Übergang? kurz über den Bordstein, dann auf die Straße? Oder mit energischem Schwenk über die weiße Linie? Klar ist: Ich darf halt als Radler zwar den Fußgänger vor die Füße fahren, nicht aber den Autos vor den Kühler. (Ich habe in beiden Fällen nicht Vorrang!)

Erst wenn man mehrmals hier gefahren ist, kann man eine Entscheidung treffen, wo der Weg für einen persönlich langgeht. Eindeutig ist auch hier nichts.



2 Kommentare:

  1. Ich stimme Ihnen zu: Die "Radverkehrsführungen" in Stuttgart sind zu großen Teilen eher als "Radverkehrsirreführungen" zu bezeichnen. Alle Naslang trifft man auf etwas anderes; ein wilder Mischmasch von schmalen Streifchen, Wegelchen, gemeinsamen Geh- und Radwegen und freigegebenen Gehwegen -- viel zu oft auch noch linksseitig. An vielen Stellen sind Konflikte vorprogrammiert. Als Ursachen sind nicht nur all die Geisterradfahrer, auf dem Gehweg Fahrende und kreativen Wegfinder zu nennen, die sich doch nicht durch banale Verkehrsregeln einschränken lassen. Auch eine Verkehrsplanung und Straßengestaltung, die (genau wie die meisten Verkehrsteilnehmer) den Grundsatz der Fahrbahnbenutzung durch Fahrräder -- nachzulesen in der Straßenverkehrsordnung -- nicht verinnerlicht haben, tragen das ihre dazu bei.

    An dieser Stelle gehen unsere Meinungen wohl auseinander: Ich meide den Seitenraum und nutze die Fahrbahn, wann immer es möglich und erlaubt ist; und ich fahre damit gut. Ich wähle auch meine Routen danach aus. Dazu zählt auch die Hauptstätter Straße zwischen Marienplatz und Neckartor. Ich habe die Erfahrung gemacht: Verhält man sich wie ein Fahrzeugführer (fährt man also gut sichtbar und nicht zu weit rechts, mit klarer Linie, umschauend, äußerlich offensiv, innerlich defensiv), wird man auch als solcher respektiert. Ich verstehe, dass es vielen vor dem Gedanken graust, sich auf einer mehrstreifigen Straße zwischen Pkw und Lkw zu bewegen. Aber auf den Nebenstraßen, in Wohngebieten, in den Tempo-30-Zonen, und auch auf mancher Hauptstraße abseits der großen Achsen, dort muss das Fahren auf der Fahrbahn die Regel sein.

    Zu den Bildern:

    Ich vermeide es, die von Ihnen gezeigte Richtung in der Eberhardstraße und Holzstraße zu fahren. Gegenwärtig ist der Seitenraum in der Holzstraße eh konfliktträchtig verengt. Aber das Problem geht ja oben am Charlottenplatz weiter. Fußgänger, Ampeln usw. Wenn ich zügig da durch will, fahre ich unten drunter durch (Da bin ich aber sicher auch einer der ganz wenigen).

    Die Busspur in der Filderstraße ist doch gar keine. Wenn ich dort fahren wollte, würde ich das tun. Ohne Verkehrszeichen (VZ 245) und durchgezogene Linie (VZ 295) ist die Straßenmalerei "BUS" unbeachtlich.

    Wieso finden Sie es "bescheuert", vor einem Auto zu fahren? Das ist doch der Regelfall; so steht es ausdrücklich im Gesetz.

    Vom Radstreifen in der Theodor-Heuß-Straße wechsle ich stets frühzeitig vor dem Ende auf den rechten Fahrstreifen. Manchmal fahre ich auch vom Rotebühlplatz kommend durchgehend auf dem rechten Fahrstreifen, wenn die Nutzung des Radstreifens wegen Autos, die teilweise im Sicherheitsraum parken, zu gefährlich ist.

    Freundliche Grüße!

    AntwortenLöschen
  2. Ich glaube, wir liegen gar nicht so weit auseiander. Ich fahre auch öfter auf der Fahrbahn, sehe aber, dass die meisten auf den Gehweg ausweichen, selbst dann, wenn die Fahrbahn völlig unproblematisch ist. Ich glaube, wir bruachen eine städtischen Fahrrad-Erziehung, für alle Verkehrsteilnehmer. ;-)

    AntwortenLöschen