21. Dezember 2013

Unser Weihnachtswunsch - ein bisschen Tübingen

Tübingen ist kleiner als Stuttgart, hat aber auch ordentlich Hänge und Steigungen. Hier gab es aber immer viele Studierende und deshalb auch viele Radfahrer.

In Tübingen ist die kritische Masse erreicht. Es gibt wirklich viele Radfahrer. Sie fahren überall, sie schieben auch, wo sie das müssen, sie warten an roten Ampeln. Fußgänger drehen sich um, bevor sie über einen Radweg zur Fußgängerampel gehen. Schöööön!
Sie stehen an geteilten Rad-/Fußgängerampeln nicht auf der Radseite, sie achten penibel darauf, auf dem Gehweg nur ihre Seite zu benutzen. Wunderbar. (Dieser Fußgänger mit dem Rollkoffer wird sich übrigens gleich umdrehen, bevor er nach links den Radweg überquert.)

Der Radweg entlang der Wilhelmstraße zwischen den Unigebäuden hindurch ist vermutlich einer der ältesten. Hier haben Generationen von Radlern Verbesserungen erstritten. Beispielsweise einen ordentlichen Übergang von der Fahrbahn auf den Radweg im Fußgängerbereich, der übrigens hinter der Bushaltestelle vorbei führt, nicht durch sie hindurch.





Wer aus dem Alten Botanischen Garten herauf kommt und hier über die Wilhelmstraße muss, um rechtsseitig den Uniradweg entlangzufahren, der findet eine Fußgängerampel mit einem radtechnisch schräg gelegten Streifen vor, der auf den Radweg führt. Leichter zu fahren, als unsere Stuttgarter rechtwinkligen (und nicht gekennzeichneten) Übergänge vom Fußgängerüberweg auf die Fahrbahn.






Dass Radler dennoch nicht sklavisch auf der Spur bleiben zeigt nur: Hier wäre eine noch organischere Rad-Verkehrsführung möglich. Schön aber, dass sie getrennt von Fußgängern die Straße überqueren und bereits in die Richtung orientiert, wo sie hinwollen.



Und viel selbstverständlich als wir, fahren Tübinger Radler auf der Fahrbahn. Es sind so viele, dass Autofahrer stets mit ihnen rechnen (auch wenn sie durchaus gelegentlich knapp überholen). Die Radspur führt hier nicht durch die Busspur, sondern lässt den Bus rechts liegen. Das geht!
Und der Aufstellplatz an den Ampeln ist groß genug für mehrere Radfahrer. Denn die Fortführung der Straße verengt sich. Radfahrer würden hoffnungslos abgedrängt, dürften sie nicht vor den Autofahrern starten. (Der Bus bekommt übrigens zuerst grün und ist dann schon weg.)

Wer Radfahrer achtet, bringt sie dazu, rote Ampeln zu achten.
Interessanterweise warten Radler in Tübingen viel öfter, zahlreicher und konsequenter an roten Ampeln als bei uns in Stuttgart. Auch dann, wenn eigentlich frei ist. Sie starten erst, wenn Grün wird, so wie hier. Eine geregelte Radkultur hilft also durchaus, Radfahrer zu disziplinieren und dazu zu bringen, dass sie sich weniger illegal  durchwursteln.


Beachtlich fand ich auch, dass der Fensterbauer hier sein Fahrzeug nicht auf dem Radweg abgestellt hat, sondern auf dem Gehweg, übrigens so, dass die Fußgänger gerade noch so vorbeikommen, ohne den Radweg zu betreten, auf dem ja reger Verkehr herrscht.  (Bei uns stehen die Fahrzeuge immer auf dem Radweg.)


Die Durchfahrt durch den Tunnel ist erstaunlich eindeutig  geregelt, und es halten sich alle daran. Die Radler fahren auf zwei Spuren einander entgegen und überraschenderweise viele sogar mit Licht.

Man beachte, hier fehlt ein Radwegschild. Das Schild, das wir sehen, sagt nur den Fußgängern, wo ihr Weg ist, nämlich ganz rechts.
Und auch sie bleiben auf ihrer Spur, so als gingen sie an einer Autostraße entlang. Und zwar deshalb, weil hier so viele Radfahrer unterwegs sind, dass sie gar nicht auf die Idee kommen, auf den Radweg zu schusseln.


Allerdings besteht Tübingen durchaus nicht aus lauter Radwegen. Ganz im Gegenteil. Es gibt nur sehr wenige. Die Straßen sind so eng wie unsere, es gäbe keinen Platz. Nebenstraßen brauchen auch keine Radwege. Radfahrer sind in Tübingen zudem mehr daran gewöhnt, auf Autostraßen zu fahren als in Stuttgart.

An manchen Ecken und Abzweigen hängen kleine Schilder mit Radsymbol und Pfeil, die vermutlich irgendetwas bedeuten, was auf Radrouten hindeutet. (Wer es genau weiß, schreibe mir.)

Räder werden rund um Tübingens Innenstadt eigentlich überall abgestellt, wo es geht. Und das, obgleich es tatsächlich an vielen Stellen große Radabstellplätze gibt.

In Stuttgart würde man keine drei Parkplätze für Räder aufgeben, so wie hier. Man sieht aber auch, dass hier einige Dutzend Räder herpassen, wo andererseits höchstens drei Autos einen Parkplatz gefunden hätten.

Man stelle sich mal vor, wie die Verkehrs- und Parkplatzsituation in Tübingen wäre, wenn es nicht so viele Radfahrer gäbe. Es lohnt sich also, etwas für Radfahrer zu tun. Auch in Stuttgart. Es schafft Platz auf Straßen. Denn ein Rad braucht nur ein Vierzehntel des Platzes, den ein Auto braucht.

Das wünschen wir uns in Stuttgart: die freudige Einsicht, dass es der Autostadt  gut tut, wenn sie ernsthaft etwas für Radfahrer macht, weil dann mehr Leute aufs Rad/Pedelec umsteigen und der Autoverkehr besser rollt.

Dazu gehören, durchgängige Radführungen getrennt von Fußgängern, deutliche Übergänge, Aufstellplätze an Ampeln, eine Wegweisung und Radparkplätze. Dann überschreiten auch wir die kritische Masse und werden als Radfahrer von Fußgängern und Autofahrern respektiert.

Ein paar Radler gibt es aber immer, die im Kampfradlermodus schlängeln, kurven, über Gehwege abkürzen, auf der falschen Radwegseite fahren oder links die Fahrbahn herauf kommen. Auch in Tübingen.



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