24. Juni 2013

Die Neue Weinsteige

ist die schönste Straße Stuttgarts. Man hat einen phänomenalen Blick über den Kessel bis hinüber zum Birkenkopf. Leider hat der Autoverkehr sie gänzlich für sich erobert. 

Man darf sie übrigens mit dem Rad durchaus hochfahren. Es ist nicht verboten. Es tut nur niemand. Täte es man es, sähe man, was nie ein Autofahrer und auch kaum ein Stuttgarter je zu sehen bekommen. Da ist der grandiose Ausblick, für den wir Muße haben. Aber da radelt man eben auch durch mystische Orte und Wildnis, passiert ein verwunschenes Denkmal und kann sehen, wie eine junge Frau um ihr Leben rennt.

Der Panoramaweg Neue Weinsteige wird DIE Attraktion sein für die Pedelec-Ausflüge, die Stuttgart anbieten wird, wenn erst ein Radweg die Neue Weinsteige hinauf entstanden ist.
Sie wurde von Eberhard von Etzel, dem Vater des Eisenbahningenieurs Karl Etzel im Auftrag von König Wilhelm dem Ersten in den Jahren 1826 bis 1831 gebaut, weil die Alte Weinsteige einfach zu steil war. Das Denkmal steht in einer parkähnlichen Ausbuchtung, wenn man schon fast oben in Degerloch ist.

Im unteren Teil der Neuen Weinsteige nach dem Bopser ist der Weg für Radler eklig, weil man auf der Fahrbahn radeln muss. Denn erstens ist der Gehweg nicht freigegeben und zweitens parken die Autos nicht in ihren Parkbuchten, sondern gleich auf dem ganzen Gehweg. Nicht einmal Fußgänger kommen die Weinsteige hoch oder runter ohne gelegentlich auf die Fahrbahn treten zu müssen. (Bild 2)

Aber dann! Nachdem urplötzlich und völlig überraschend am Höhenhotel der Gehweg für Radfahrer freigegeben worden ist (Bild 3), beginnt eine Fahrt durchs Grüne.

Und wir sehen und erleben Stuttgart zwischen Wald und Reben, wir radeln über lauschige Pfade durchs Grüne, treffen auf ein kleines halb verfallenes Stonehenge aus rätselhaften Stehlen (die einst eine Pergola stützten) und passieren dabei den abenteuerlichen Abstieg ins Landschaftsschutzgebiet Wernhaldenpark mit seinen Mammutbäumen, bis wir schließlich am Etzel-Denkmal vorbei und endlich auch fast ganz oben sind. (Bild4)

Künftig werden Pedelecs auf dem Panoramaweg die Neue Weinsteige empor schwärmen. Touristen werden die Stadt mit dem Elektro-Fahrrad erkunden wollen, und brauchen den Radweg die Neue Weinsteige zum Fernsehturm empor.

Ups, ein Radweg? Undenkbar! Nein, alles ist denkbar. Es wird auch bereits darüber nachgedacht (siehe ganz unten). Allerdings fragen sich die Fachleute auch: Wer würde denn wirklich die Neue Weinsteige hochradeln? In dem Abgasdunst? Wäre das nicht gesundheitsschädlich wegen des Feinstaubs? Und gibt es nicht bessere Wege?

Nun, der Feinstaub ist überall, und die Gefahr gilt für alle Bergaufstrecken aus dem Kessel hinaus, z.B. die Kaltentaler Abfahrt nach Vaihingen hinauf oder die Altenburger Steige.

Die Neue Weinsteige ist aber nun einmal die direkte und logische Verbindung nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Radfahrer aus der Stadtmitte nach Degerloch hinauf. Und sie wurde gebaut, damit Fahrzeuge eine mäßige Steigung haben. Alle anderen Strecken sind teils sausteil und teils dazu noch umwegig.

Vorerst könnte man ja mal auch den Gehweg ab dem Bopser bis zum Hotel für Radfahrer freigeben.

Ohnehin kann man eigentlich nicht weiter zulassen, dass die Autofahrer die Gehwege zuparken, was übrigens nicht nur Fußgänger in Gefahr bringt, sondern auch Autofahrer beim Aussteigen verleitet, sich in größte Gefahr zu begeben.

Das Foto zeigt das, was ich beim Hochradeln erlebt habe: Bergab rechts haben zwei junge Frauen das Auto abgestellt, in einer Parkbucht, in der übrigens gar nicht geparkt werden darf (Verbotsschild). Und dann sind sie um ihr Leben gerannt, quer über die Weinsteige hinüber auf meine Seite. Erst die eine und hier -wie man sieht - die andere.

Ich bin eine glühende Verfechterin des Panorama-Radswegs Neue Weinsteige. Denn sie ist die einzige Straße mit moderater Steigung nach Degerloch hinauf, selbst für Normalradler mit einer gewissen Kondition zu befahren. Und derzeit kenne ich keine Degerlocher, die regelmäßig zur Arbeit mit dem Rad in die Stadt runter fahren. Denn derzeit ist ihr Rückweg eher erschreckend. Die Alternativen zur Neuen Weinsteige sind nicht gut, weder mir Radwegen versehen, noch kann man immer darauf verzichten illegal auf dem Gehweg zu fahren, oder man muss die steilere Variante wählen.

Und das sind die Alternativen:

1. Über die Alte Weinsteige, die stellenweise über 17 Prozent Steigung hat. Aber das geht   gut nur mit Elektrorädern (Pedelecs) der neueren Generation mit starkem Motor. Oder es tun Rennradler, die eine sportliche Herausforderung suchen. Außerdem ist sie zu eng für Rad und Auto nebeneinander. Das Auto kann nicht überholen, der Gegenverkehr muss in Parkbuchten ausweichen oder der Radler absteigen und am Hang neu antreten.
Eigentlich dürften Ihnen dort zwar so gut wie keine Autos entgegenkommen, denn hinunter ist die Alte Weinsteige einen kurzen Abschnitt lang gesperrt (Einbahnstraße bergauf). Es halten sich nur verblüffend viele Autofahrer nicht dran.

2. Man kann auch den Schimmelhüttenweg durch die Weinberge hochächzen, unter Spaziergänger gemischt und ebenfalls steil (stellenweise 17 %). Und man muss sich auskennen, um am Ende durch die Nebenstraßen nach Degerloch zu kommen. Sonst ist man plötzlich am Dornhaldenfriedhof und in Sonnenberg.

Die Zugänge (auf der Karte die beiden linken/westlichen) zu beiden Strecken befinden sich in Stuttgarts Süden oberhalb des Marienplatzes an der Liststraße. Wer aus dem Stuttgarter Zentrum (Bereich Charlottenplatz oder nördlicher und östlicher) kommt, für den sind diese beiden Steilstrecken auch noch ein Umweg. 

3. Der könnte es die Gerokstraße hinauf zur Jahnstraße versuchen und sich Degerloch von Osten aus nähern, am Fernsehturm vorbei. Im ersten Drittel teilt man sich die Fahrbahn mit Stadtbahnschienen (sehr gefährlich), später mit hastigem Autoverkehr. Man wird zwangsläufig an der Hangbrücke den Fußweg nehmen, obgleich er wegen der Laternenmasten zu schmal ist (man muss gut zielen). Und man versucht es nur einmal, diesen ekligen Part über die Gänsheidestraße abzukürzen, denn die ist ziemlich steil (12 %). (Ist alles in allem lang mit viel Autoverkehr, und unheimlich vor allem auch nachts, wenn man über den Fußweg hoppelt, teilweise durch den Wald. Geht gar nicht.)

4. Wer irgendwie durch die Nebenstraßen zum Bopser hoch kommt und die Neue Weinsteige Richtung Schillereiche und Teehaus überquert, der kann, wenn er in Serpentinen das Wohngebiet am Hang überwunden  hat, durch den Wald zum Fernsehturm hochfahren, schön im Sommer und bei Helligkeit, aber finster im Winter und bei Nacht, und ebenfalls stellenweise durchaus spürbar über 8 % steil.

Gut ist davon gar nichts. Auch nichts davon ist wirklich für Radfahrer eingerichtet. Die Degerlocher, Sillenbucher und Möhringer sind von der Innenstadt radtechnisch abgeschnitten, es sei denn, sie sind Power-Radler.

Mein Traum ist daher ein breiter Radweg die Neue Weinsteige hinauf. In künftigen Zeiten der Touristenausflüge mit Pedelecs durch Stuttgart wird er eine der attraktivsten Strecken für den Blick über die Stadt nach Degerloch und zum Fernsehturm sein. Und die Neue Weinsteige ist der direkte und logische Weg von der Innenstadt hoch nach Degerloch hoch. (Runter würde ich allerdings immer die Alte Weinsteige nehmen.) Leider müssten die Autofahrer dafür eine von vier Spuren auf der Weinsteige aufgeben - vermutlich eine der beiden Bergabspuren. Und das gäbe einen Aufstand der Autofahrer. Es wird nämlich im Hauptverkehr am Morgen eng, sonst allerdings nicht. Das ist bereits ausgerechnet. Im Bezirksbeirat Süd wird derzeit darüber diskutiert, eine der Bergaufspuren umzuwandeln, allerdings nicht in einen Radweg, sondern in Parkplätze und einen breiteren Fußweg. An Radfahrer denken die wieder mal nicht.

Radfahrer für den Panoramaweg Neue Weinsteige!

14 Kommentare:

  1. Danke für diesen tollen, informativen Bericht!
    Ich bin auf Montag gespannt, der Rückweg wird interessant! :-D
    Lieben Gruß

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  2. Super Bericht. Genauso ist es. Degerloch ist dank Pedelec endlich gut erreichbar. Aber die Fahrt da hoch gleicht einem Selbstmordkommando. Ein Panoramaweg wäre einfach nur schön. Vielleicht kann man die Spuren temporär freigeben/sperren.

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  3. Guter Vorschlag. An welche Freigabezeiten dachten Sie?

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  4. Ehrlich gesagt, habe ich die Neue Weinsteige so noch nicht betrachtet - leider auch nur immer als Autofahrer. Ich werde mich mal sonntags zu Fuß aufmachen, um die tolle Sicht über die Stadt zu entdecken. Neu zugezogen bin ich ja wirklich nicht mehr.

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    1. Gute Idee. Die Neue Weinsteige ist tatsächlich ziemlich schön vor allem für alle, die langsamer unterwegs sind als Autofahrer. Früher habe ich jede Fahrt mit der Stadtbahn die Weinsteige hinauf und hinunter genossen. Leider fährt die ja nun schon lange eingetunnelt. Radfahrer würden der Straße ihre Schönheit zurückgeben. Ich bin gespannt, was Sie von Ihrem Spaziergang berichten.

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  5. Morgens doppelspurig abwärts, nachmittags doppelspurig aufwärts.

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    1. Das wäre vermutlich eine gute Lösung. Es gibt ja auch Städte mit wechselnder Spurenführung je nach Verkehraufkommen. Aber die Stuttgarter Autofahrer kennen das noch nicht. Die Idee ist in meiner Gegenwart mehrmals diskutiert, aber relativ schnell verworfen worden, weil sie kompliziert ist und man sich vor schweren Unfällen fürchtet, falls jemand es nicht kapiert und die falsche Spur befährt. Trotzdem halte ich sie für verfolgenswert. Es müsste nur der politische Wille da sein, die Neue Weinsteige endlich für Radfahrer befahrbar zu machen. Doch der mächtige ADFC unterstützt diese Idee derzeit leider gar nicht. Ganz im Gegenteil.

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  6. Florian Hoffmann5. Februar 2016 um 21:21

    Ich bin heute Mittag die Neue Weinsteige mit dem Fahrrad hinauf gefahren. Auch der Teilabschnitt auf der Fahrbahn stellte kein Problem dar. Die Auto Fahrenden überholten bei mäßiger Geschwindigkeit. Ich fuhr langsam, ohne elektrischen Zusatzantrieb. Mein Fazit: Zur Mittagszeit kann man die Strecke gut fahren. Es herrschte Rücksichtsnahme und ich fühlte mich nicht unwohl.

    Die beschriebenen Parkbuchten sind zu der Uhrzeit auch nicht belegt und auf dem Fußweg, im weiteren Verlauf der Strecke, kann man auch fahren. Also: Rauf da und Aussicht genießen! Wirklich toll.

    Dennoch gilt: Beste Verhältnisse sind das nicht und es bleibt zu hoffen, dass sich an der Strecke für Rad Fahrende wie zu Fuß Gehende etwas tut.

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    1. Sehr schön. Ich bin im Sommer mal wieder hinauf geradelt. Bei zweispurigen Fahrbahnen haben die Autofahrer ja immer gut Platz zum Überholen, und sie sehen uns Radler vor sich. Leider trauen sich viele Radler das aber eben nicht. Sie haben das Gefühl, auf so einer Straße sei es lebensgefährlich zu fahren. Ist es aber nicht, Das ist auch meine Erfahrung. Die Neue Weinsteige ermuntert Radler nicht sehr, sie zu benutzen. Leider, denn die Strecke ist schön.

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  7. Ich besitze kein Pedelec. Aber ich kenne dafür eine wunderbare Alternative von der Innenstadt nach Degerloch. Man wählt den Weg zum Marienplatz und stellt sein Bike in der Transportwagen der Zahnradbahn. Wenige Minuten später steigt man(n) oder frau entspannt in Degerloch aus. Und möchte euch, vor allem Frau Lehmann, darauf hinweisen, dass jeder vernünftige Radler diese Streck wählt. Denn wofür haben wir denn sonst eine Zacke mit Fahrradwagen. Die 50 bis 100.000 Euro fürden Radweg Weinsteige sollte sich die Stadt sparen. Außerdem ist das Fahren neben einer vierspurigen Straße ein erhebliches Sicherheitsrisiko, denkt bitte an die vielen LKW. Außerdem nehmt ihr so den Bewohnern die Parkplätze weg.

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    1. Der Transportwagen der Zahnradbahn ist - besonders bei gutem Wetter - überlastet. Grund: Die Downhillbiker, die sich zahlreich zum Woodpecker-Trail chauffieren lassen. 2-3 Zacken muss man u. U. schon mal ziehen lassen.

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  8. Ich möchte euch noch auf etwas hinweisen. Den besten Blick bekommt ihr von der alten Weinsteige. Ihr brucht nur mit der Zacke bis zur Haltestelle Haigst zu fahren, dann wisst ihr, was ich meine. Da könnte Frau Lehmann übrigens auch zu Fuß hingehen.

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    1. Lieber Anonymus, wenn du so fährst, dann viel Vergnügen beim Zacke-Fahren. Ab 21 Uhr ist damit Schluss. Die meisten anderen vernünftigen Radfahrenden wollen radfahren und nicht Stadtbahn fahren. Es soll auch Radler geben, die haben gar kein Abo oder keine Lust eine Fahrkarte zu lösen. Sie haben ja schon ein Gefährt, nämlich das Fahrrad, das sie überall hin bringt. Das Pedelec ist auf der Alten Weinsteige gar kein Problem. Und die Parkplätze auf der Neuen Weinsteige sind übrigens auch keines, weil sie zu zwei Dritteln leer stehen oder von Gewerbetreibenden zur Werbung missbraucht werden. Hunderttrausend Euro sind keine Summe, vergleicht man sie mit den Millionen, die für den Autoverkehr ausgegeben werden. Warten wir mal ab, wer die Neue Weinsteige nutzt, wenn sie auch jemand anders nutzen kann, der nicht im Auto sitzt. Übrigens: Der nächste derartige spöttische Kommentar, bei dem ich mit Namen angeredet werde (oder irgendwelche anderen Namen fallen), ohne dass du deinen Namen preis gibst, wird von mir gelöscht.

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  9. Ich nehme den alten Faden noch mal auf. Seit Juni pendle ich fast täglich mit dem Pedelec über Degerloch hinunter in die Stadt und - was eben interessanter ist - natürlich abends wieder hinauf. Heute z.B. via Schimmelhüttenweg. Der ist schön aber selbst mit Pedelec nicht schön zu fahren. Ein ordentlicher Weg ist der über die Eierstraße durch den Wald hoch zum Albplatz. Allerdings ist der Waldweg dort sehr ruhig und relativ steil. Besser ist der schon genannte Weg am Teehaus und am Waldspielplatz vorbei zum kleinen Königsträßle. Dort kann man morgens ohne Dauerbremsen mit moderaten 40 km/hin ins Tal sausen und abends läuft es auch gut. Aaaaaber: natürlich fehlt dem Weg das Licht, der Unterhalt nach Astbruch und Laubfall und natürlich der Winterdienst. Ausserdem sind dort immer reichlich Hundeführer mit nicht angeleint Tieren unterwegs. Weder Hund noch Mensch reagiert dabei wirklich auf das 'Ping' wenn man mit besagten 40 km/hat angerollt kommt. Länger Rede kurzer Sinn: Die Strecke wäre ideal, mit Unterhalt und einer Widmung zum Radweg.

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